Illustrierte Reisenotizen
Melbourne, Mantra on Russel, Russel Street Ecke Little Bourke Street, 16.Stock, Zimmer 1609
13-01-05, Melbourne, Mantra on Russel Hotel, 16th floor
Herrlich lauer Morgenwind auf dem Balkon. Die Wolken sind in der letzten Stunde verschwunden. Es brennt schon deutlich durch das Ozonloch, dabei ist es erst 9.00 Uhr morgens! Ein Süd-Ost-Balkon bekommt nur morgens für kurze Zeit ein Streifen Sonne ab – wir sind auf der Südhälfte der Erde.
Unter mir kocht die Stadt. Ein Rauschen und Brausen von hunderten Küchenlüftungsanlagen, air condition -Kästen, Kühlhausgebläsen betäubt konstant die Ohren. Dazu riecht es nach Ausgebackenem, Hühnchen oder Ente, auch etwas Süßes ist dabei. Wir wohnen mitten im Zentrum von Melbourne in einem Viertel mit vielen Restaurants, Chinatown, die Griechen-Straße.
Man hat einen weiten Blick über das Zentrum Melbournes,180 Grad, alles komplett zugebaut. Zwischen drei bis sechsstöckigen Häusern mit rostigen Wellblechdächern ragen die Bürotürme auf. Die Russel Street wird hier Richtung Yarra River zu einer tiefen Straßenschlucht. Der schön proportionierte Steinturm der Church of Scottland klemmt da eher klein zwischen den massiven Blöcken. Auf der Baustelle daneben hat sich, seit ich hier bin, noch nichts bewegt, also seit einer Woche. Baukränen, die viel höher sind als die Kirche, stehen in einem tiefen Loch.
Die alten Häuser direkt hier unten in der Russel Street waren mal schön, verziert mit Säulen, Stuck, viktorianisch?, Jugendstil?, eins leicht arabisch angehaucht, im Erdgeschoss sind sie verhunzt durch moderne Geschäftsverkleidungen. Darüber das obligatorische, riesige Vordach, so dass man die Fassaden sowieso nur von der anderen Straßenseite aus sehen kann. Sie scheinen oft unbewohnt zu sein.
Sommer im Januar, das unglaublich helle Licht, Linksverkehr – ich fühle deutlich, dass ich Kopf unter an der Südhalbkugel hänge. Vielleicht stimmt es, dass man hier nach kurzer Zeit in der Sonne schon Anzeichen eines Sonnenstichs bekommen kann. Oder die Seele ist eben doch langsamer unterwegs als das Flugzeug und noch nicht ganz angekommen – hat natürlich auch mit der Zeitverschiebung zu tun. Ich wandele so durch den Tag, sehe viel, tue wenig außer gehen und schauen, mache aus jedem Einkauf einen Ausflug. Die Melbourner sind sehr entspannt und freundlich, Hektik scheint es hier nicht zu geben. Es sind Sommerferien und so ist auch die Stimmung.
La Trobe St., Ecke Swanston
Überhaupt: Eine sehr angenehme, offene Stadt. Viele Cafés, Restaurants, Bars, Tische an der Straße und in den Malls, Straßenmusik, Clubs. Der Melbourner liegt in der Mittagspause gerne auf jedem Stückchen Rasen, dass die Stadt bietet… Zu kaufen gibt es Alles, in Hülle und Fülle, in einem Netz von verschachtelten Malls, Arkaden, engen Gassen, die die großen, rechteckigen Häuserblocks der City auf sehr verworrenen Wegen durchziehen. Leider sauteuer, man darf gar nicht drüber nachdenken.
Armut sieht man hier im Zentrum der Millionenstadt fast nicht. Das wird wohl an irgendwelchen laws and orders liegen, PENALTIES APPLY! Es ist schon fast grotesk, wie viele Schilder mit dieser Aufschrift hier herumstehen, -hängen, auf die Straße gemalt sind… Ranjid und Rob haben angefangen, die penalty – Schilder zu fotografieren, sind aber viel zu viele.
Eingang Carlton Gardens
Der Kaffee von Aldi schmeckt in Australien genau wie in Deutschland – nämlich nicht – Mist! Unglaublich, hier sieht Aldi fast genau so aus wie bei uns. Auch das gleiche Logo (Aldi Süd), beinahe die gleiche Anordnung der Waren in den gleichen Regalen…
Also muss ich doch runter auf die Straße, mir einen guten Kaffee kaufen.
Ranjid hatte die letzten Tage frei, so dass wir mit einem Mietauto die Küste erkunden konnten, die Great Ocean Road, Otway Nationalpark. Großartig: Das Meer, die Steilküste, Strände, herrliche Wellen, vor allem aber sehr viele unbekannte Bäume, Blumen, Vögel. Eine neue Welt, die ich kaum verstehe. Ich habe viele Fotos gemacht und suche immer noch nach einem Bestimmungsbuch für Pflanzen. Für Vögel habe ich schon eins, Ranjid hat es mir gekauft.
Superb Fairy-Wren (malurus cyaneus) m., Otway Nationalpark
Küste westlich von Melbourne, Otway-Nationalpark
Triplet Falls, Otway Nationalpark
13-01-09, Melbourne, Mantra on Russel Hotel
Habe mir gestern „The Place for a Village – how nature has shaped the city of Melbourne“ gekauft. Zum Lesen bin ich auf den herrlichen Vorplatz der State Library of Victoria gegangen, hab die ersten Seiten dieses interessanten Buches gelesen, das sich auf Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Schilderungen der ersten europäischen Siedler stützt, um die Landschaft und die Flora und Fauna der Gegend von Melbourne vor der großen Besiedelung der Engländer, also vor nicht mal 200 Jahren, zu rekonstruieren. (Natürlich haben die Menschen und nicht die Natur die Stadt geformt.) Als es mir zu heiß wurde, bin ich in die Library gegangen.
Überwältigend! Ich habe noch nie eine so monumentale, öffentliche Bibliothek gesehen. In verschiedenen, wunderbaren, teils riesigen Lesesälen, alten und moderneren, herrscht leise Geschäftigkeit, überall ruhig, über Bücher gebeugte oder in Gruppen beratende Menschen jeden Alters. Licht scheint gleichmäßig durch hohe Glasdächer. Ein wahrhaft ehrwürdiger Ort der Wissenschaft!
Zu allem Überfluss lief ich zufällig in einen Raum mit einer Ausstellung von Gemälden und Zeichnungen aus den Anfängen der Stadt Melbourne, also die Originale etlicher Abbildungen des Buches, das ich grade angelesen hatte. Was für ein tolles Geschenk, sehr beeindruckend!
State-Library of Victoria, Melbourne, großer Lesesaal
13-01-10, Melbourne, Mantra on Russel Hotel, 16th floor on the balcony
Keine fremde Kultur wie etwa Indien, aber ich habe immer noch das Gefühl, ich begreife nicht, wo ich hier bin, bin noch nicht gelandet, obwohl ich jetzt zwei Wochen hier herumlaufe. Mein Kopf hat das Bedürfnis, auf einem ganz kleinen Fleckchen Erde, ganz klein unten anzufangen, alles zu begreifen, zu schmecken, überschaubar. Einen Stein umdrehen, anstatt in so einem Wald riesiger Gebäude im 16. Stock zu sitzen. Wo soll ich anfangen? Irgendwie ist man abgehoben, es fehlt mir der Boden unter den Füßen.
Common Myna, Swanston Street.(Starenart, die es auch in Indien gibt, aber da nicht so bunt, grauer am Bauch.)
Melbourne, 13.01-11, Mantra on Russel, 16th floor at the desk in the livingroom of the apartment-hotel
Es ist Freitag. Die Balkontür steht weit auf. Es ist immer sehr laut draußen. Tag und Nacht brummen und rauschen diese Lüftungen. Wir versuchen nachts, uns vorzustellen, dass es Meeresrauschen ist. Dann stünde dieses Hotel direkt neben der tosenden Brandung! Autogeräusche gehen ganz unter. Ab und zu eine Harley oder ein Hubschrauber kann man heraushören. Grade erreicht außerdem mal wieder das Geklimper des Elektro-Klaviers die 16.Etage. Kleidermann-ähnliche Improvisationen, endlos, viel zu laut. Unten an der Ecke sitzt der Typ fast jeden Abend. Ich war grade noch Bier kaufen für diese Nacht, wenn Ranjid, Rob und Frank von der Arbeit kommen. Wenn man unten aus dem Hotel kommt, begleiten einen die gleichen Akkorde bis in den liquor shop und zurück., Und hier oben angekommen – wieder der Kleidermann. Diese Art Musik erinnert mich obendrein an Jobs als Aushilfe in Restaurants ohne Kundschaft– trostlos ist das richtige Wort. Es gibt auch sehr gute Musiker an unserer Ecke, aber leider ist der Pianomann am häufigsten da.
Der Weg zum Supermarkt, die Hotelportiers, die Kellner im Lieblingsrestaurant werden langsam vertraut. Ich habe die Schalter und Macken der Waschmaschine und des Trockners in unserem Appartement-Hotel durchschaut und muss nachts nicht mehr überlegen, wo die Tür zum Klo ist. Ranjid, der ständig unterwegs ist, genießt solche Kleinigkeiten.
Kreuzung Russel Street, Little Bourke Street mit E-Piano-Spieler
13-01-12, Melbourne, Mantra on Russel
Melbourne ist oft heiß und dann weht wieder ziemlich kühler Wind, manchmal im Wechsel an einem Tag. Die Sonne scheint sehr hell, fast gnadenlos. Heute Mittag war 38 Grad heißer Wind aus dem Norden, vom Kontinent, und als ich grade vom Melbourne-Museum zurückging, fühlte ich auf einmal eine herrlich kühle Brise. ich dachte erst, sie kommt aus einem unterkühlten Laden oder Hotel, war aber Wind aus Süden, also aus der Südpolregion. Innerhalb von Minuten wechselte das Wetter von heftiger Hitze zu einem ziemlich frischen Frühlingstag.
Im Museum war die Ausstellung zu den Urbewohnern Australiens, über die ich gerne mehr erfahren hätte, wegen Umbau geschlossen. Die Geschichte Melbourns ist grade mal 180 Jahre alt, wenn man die Geschichte der Aborigines nicht einrechnet, die hier schon mindestens 40000 Jahre leben, aber in dieser Stadt absolut keinen Platz haben, keine Spur hinterlassen haben, nicht vorkommen. Ein sehr trauriges Kapitel – das, was alles nicht mehr vorkommt, auch Tiere und Pflanzen betreffend. Das Wort extinct ist zu meinen Englisch-Wortschatz hinzu- gekommen.
Museum of Melbourne, zwei ausgestorbene Arten Australischer Beuteltiere: Thylacine (Tasmanian Tiger) und Pig-footed Bandicoot (Chaeropus ecaudatus)
Es muss eine überhebliche, sehr unempathische Gesellschaft gewesen sein, die hier eingewandert ist. Es ging um mehr Flächen für eine Landwirtschaft, die sie auf der anderen Seite der Erde entwickelt hatten, weniger um Ankommen als um die Geschäfte des Commonwealth, um Export. Die Siedler haben mit Kühen und Schafen, Eisenbahnen und Minen in kürzester Zeit die bestehenden Landschaften völlig verändert, für immer. So kann man es dem Buch „A Place for a village…“ entnehmen. Und doch gab es auch ein Interesse an der unbekannten Natur, Wissenschaftler, die die fremden Tiere, Pflanzen und Menschen minutiös gezeichnet haben, in Arten-Zusammenhänge gebracht haben. Wahrscheinlich ohne sich für die ökologischen Zusammenhänge zu interessieren, ohne ankommen zu wollen, vielleicht eher als Souvenir, weitere stolze Trophäe für das Englische Empire.
Grass Tree, Melbourne Museum
Und heute? Wie ist das Verhältnis zur ursprünglichen Natur, zu den Urbewohnern Australiens? Im Museum werden endemische Pflanzen gezogen, mit den Namen gekennzeichnet, die die Urbevölkerung dieser Gegend ihnen gegeben hat und bei manchen weiß man auch noch, wozu sie verwendet wurden. Es gibt eine kritische Auseinandersetzung zu dem Thema, harte politische Fronten, Ignoranz und Interesse nebeneinander. In der Zeitung stand letztens, dass 90 % der Insassen der australischen Jugendgefängnisse Aborigines -Kinder sind und dass ein Aborigines- Kind mit 1g Marihuana ein ganzes Jahr Gefängnisstrafe bekommt, ein weißes Kind bekommt keine Gefängnisstrafe. Ein junger Betroffener wird zitiert in seiner Empörung über diese Ungerechtigkeit. Am nächsten Tag erklärt ein Richter in der gleichen Zeitung, dass die Kinder gerne ins Gefängnis gehen wegen der brutalen Gewalt in ihren Elternhaus. Nicht zu fassen! Was ist das für eine Rechtsprechung! Aus allem höre ich heraus, dass hier eine offizielle und eine ganz andere Haltungen, die der Eroberer, immer noch recht ungestört nebeneinander leben.
Neben mir liegt der „Field Guide to the Birds of Australia, The most comprehensive one-volume book of identification“ – aber trotzdem ein ziemlich dicker Schinken. Es gibt hier scheinbar viel mehr Vogelarten als bei uns. Von kleinen, noch recht unberührten Gebieten lese ich, dass es dort 130 Vogelarten und mehr geben soll! Ich denke inzwischen, die Vögel, die hier nachts ab 22.00 Uhr um eine bestimmte, stark beleuchtete Spitze eines Hochhauses fliegen, müssen Nightjars sein. Oder doch Möwen? die nachtaktiv sind? Aber diese Vögel segeln nicht wie Möwen. Sie schlagen ununterbrochen mit den Flügeln.
Ranjid hat heute Spieltag, dann Abbau, vor Mitternacht wird er nicht zurück im Hotel sein. Morgen fliegen wir nach Brisbane. Es wird schon dunkel, halb neun. Ausgehstimmung auf der Russel Street. Ich weiß noch nicht, was ich mit dem Abend machen soll. Rausgehen? Ich bin eigentlich schon zu müde. Die Füße sind noch schwer vom Melbourne-Museum. Ein paar Sätze an meinen australischen Onkel Karl-Jupp werde ich noch schreiben! Vorher noch was lesen, bis das Licht zu schlecht wird. Hotels haben heute riesige Fernseher, aber keine einzige Lampe mehr, die zum Lesen taugt!
Masked Lapwings (Vanellus miles) Port Campbell
TawnyFrogmouth(Podargus papuensis), Museum of Melbourne
„Ich woge an Mannschaft gewinnend“ ? Der Australier übersetzt selber: ‘We gather strength as we go’ This was taken from Virgil, Aeneid IV, 175, Coat of Arms of Melbourne, Princes Bridge – Laternensockel
13-01-16, Brisbane, Charlott Street, Ecke Albert Street, 23.Stock Sebel Hotel
Wir haben zwei Off-Tage genutzt, um an die Küste zu fahren. Frank wollte nicht mit. Selber schuld! Wir haben uns body boards gekauft und herrlich stundenlang in den Wellen des klaren, warmen Pazifik geplanscht. Da es bewölkt war, haben wir auch nicht zu viel Sonne abgekriegt.
Die Natur ist wunderschön, wenn auch so fremd, dass ich nicht so recht begreifen kann, was ich da sehe. Mir fehlt das Erkennen, die Namen, dadurch bleibt alles sehr oberflächlich. Ich kann mir nur wenige, sehr auffällige Dinge merken. Es gibt viele Vögel, manchmal dann wieder einen Wald, der wie ausgestorben wirkt.
North Stradbroke Island, vorne das könnte Yellow Oleander sein.
Kriechende, gelb blühende Strandpflanze???, North-Stradbroke Island
Wald auf North Stradbroke Island mit junger She-Oak ganz vorne links, Banksias rechts und links, Gras Tree Mitte links.
Innere Küste von Bribie Island
Brände, die hier zum Rhythmus der Natur gehören zu scheinen, haben überall ihre Spuren hinterlassen, mal als Asche und verdorrte Bäume, mal sind die verkohlten Stämme schon wieder grün ausgeschlagen. Auf Briebie-Island hat es noch nach Feuer gerochen. Eine Straße war gesperrt. Auf North-Stradbroke Island hatte es auch an vielen Stellen vor kurzer Zeit gebrannt. Ein sehr gruseliger Anblick sind die Felder massenhaft weiß und tot in den Himmel ragender Baumstümpfe. Da kommt sicher nichts grünes mehr raus. Das habe ich allerdings eher an der Great Ocean Road in Victoria gesehen. Hier ist es wesentlich grüner und feuchter.
White-faced Heron am Wrights Creek, Bribi
13-01-17, Brisbane, Charlott Street, Ecke Albert Street, 23.Stock Sebel Hotel
Heißes Wetter, die Balkontür steht auf, es ist genau so laut wie in Melbourne, die gleichen Lüftungs-Maschinen! Ich habe mir innen das Radio angemacht. Die Doors spielen Riders on the storm in einem Studentensender. Man muss reingehen, um überhaupt was davon zu hören.
Unser Hotel ist im Zentrum von Brisbane. Büros, Behörden, Shops, Malls, Clubs, Restaurants… Ranjid sagt, er kann nichts wiedererkennen von der gemütlichen, beschaulichen Stadt am Fluss, die er vor 18 Jahren besucht hat. Es gibt viele neue Hochhäuser, die den Blick zum Brisbane River komplett verstellen. Die prächtigen, alten Hotels, Storehouses etc. wirken dazwischen klein.
Die Fußgängerzone, Queen Street, finde ich schrecklich, wobei ich sagen muss, dass ich sowieso nicht gerne einkaufe. Sie ist jedenfalls total vollgestellt mit riesigen Bildschirmen, Lampen, Sonnendächern, Bühnen, Kunst, Blumenkübeln, Bänken, jedes Teil anders, beliebig, eine schockierende Unordnung. Außerdem ja noch jedes Geschäft, Restaurant, Cafe mit Reklamen, einer andere Einteilung von Schaufenster, Bürgersteig und Vordach. Die Häuser mit ihren alten Fassaden nimmt man in diesem Wirrwarr kaum wahr.
Brisbane, Queen Street
Brisbane, Queen Street, in die entgegengesetzte Richtung geschaut.
Australian White Ibis (Threskiornis molucca), Queen Street, Brisbane
Die großen Malls sehen aus wie überall auf der Welt. Den Eingang zur Brisbane Arcade, einer Mall von 1923, habe ich erst beim zweiten Anlauf hinter Kleiderständern und Werbeschildern gefunden. Sie ist geordneter, übersichtlich, edel renovierte Holz- und Gusseisenarchitektur. Die alt eingesessenen Geschäfte für Schmuck, Zigarren, Antiquitäten o.ä. machen einen etwas verlassenen Eindruck. Oder war keine Musik an und es schien deswegen so ruhig dort?
Brisbane Arcade
Am anderen Ende tritt man wieder in das massive Shopping-Chaos hinaus.
Natürlich gibt es viel Life-Musik auf der Straße, mal gut mal schlecht, auch in den Pubs, meist Cover-Bands. In einem kleinen Club waren wir auf einem Konzert von Peter Murphy. Ist immer noch ein sehr charismatischer Show-Typ und guter Musiker! Leider war es so entsetzlich heiß und vollin dem Club, dass Peter Murphy es nicht lange ausgehalten hat.
Der Brisbane River ist nach dem Shopping-Chaos der City eine Wohltat. Das Auge schaltet auf Weite und genießt die schöne, geschwungene Form. Die Felsen und das Wasser machen beruhigend klar, dass hier nicht alles künstlich ist. Weil das Zentrum komplett zugebaut ist, hat man allerdings angefangen, ein Hochstraßen- Geflecht mit Stelzen am Lauf des Flusses entlang über das Wasser zu führen. Wer weiß, vielleicht wird eines Tages auch der Fluss unter Asphalt und schicken Stahl-Glasarchitekturen verschwinden.
Brisbane River
Der Fluss scheint allerdings nicht ganz der menschlichen Aneignungen zu gehorchen. Die Folgen einer großen Überschwemmung 2011 kann man an manchen Stellen noch erkennen. Vieles ist ganz neu angelegt.
Ich werde jetzt in die nächste shopping mall gehen, Kaffee und Brot kaufen und dann mal den Botanischen Garten aufsuchen, der sehr schön aussah aus dem Auto.
13-01-17, Brisbane, 23.Stock Sebel Hotel, Abend.
Das mit dem Schreiben ist nicht so leicht. Ich komme nicht dazu, oder komme nicht zur Ruhe, oder finde nicht die Worte für das, was ich empfinde, oder bin zu faul. Ich bin braun gebrannt, sogar die Arme und Beine sind braun. Brisbane ist nicht so interessant wie Melbourne, eine kleinere Stadt. Oder es ähnelt sich einfach vieles und da ist die zweite Ausführung nicht mehr so spannend.
Ann Street
Was von vor 1900 ist, ist hier sehr alt und im Zentrum so ziemlich auf Fassaden reduziert.
Die Zeitungen schreiben viel von den Problemen der Urbewohner, den Problemen mit den Urbewohnern. Ich sehe sie fast nie oder sie fallen mir nicht auf? Vielleicht müsste man da mehr in die Vorstädte gehen. Die Vorstädte, die ich bisher gesehen habe, sind eher große Gebiete mit Einfamilienhäusern und wenig Leuten auf der Straße.
Saris, Turbane, Kopftücher habe ich am Flughafen noch gesehen. Auf dem Hinflug saß ich neben einer indischen Familie. Seit dem sind sie untergetaucht, die Kulturen. Hier in der City herrscht England und Ostasien vor. Die Leute sind sehr jung. Die asiatischen Restaurants im Zentrum machen den Aufenthalt wirklich angenehm. Das Essen ist köstlich, nicht so fett und geschmacklos wie das englisch/australische Zeug und außerdem sehr bezahlbar. Sushi zum satt werden kosten 9 Dollar, Fish and chips 23 Dollar in der gleichen Straße! Italiener sind noch teurer und noch schlechter.
Für Raucher wie Ranjid ist Australien ein no-go-Land. Man darf weder in noch vor Restaurants, Hotels etc. rauchen. Man muss sich 5m vom Eingang entfernen. Penalties apply! Auf den Schildern wird gerne mit der astronautischen Höhe der Strafen gedroht: 1000 Dollar oder mehr für Rauchen, Müll auf den Weg schmeißen, auf einer Mauer sitzen oder mehr als 60 Muscheln am Strand aufsammeln… Man fragt sich trotzdem, ob sich der Aufwand mit den Schildern lohnt und ob der Australier wirklich nur deswegen nicht aus dem Fenster springt, weil es bei Strafe verboten ist?
Brisbane, Blick aus dem Sebel-Hotel
18.01.13 Brisbane,23.Stock Sebel Hotel
„We don´t own the land, we are part of the land.“ Aussage eines Urbewohners Australiens, gelesen im Museum of Brisbane.
Here in the city you loose any touch to the land. – Sitting on a 23rd floor balcony! Looking over masses of roofs and walls.
Kaum Grün, keine Erde zu sehen. Selbst um die Straßenbäume ist so etwas wie eine verklebte Matte aus Granulat gegossen.
Brauchen wir ein bisschen Erde unter den Füßen? Oder geht es auch so, ohne Verbindung, ohne Kenntnis, ohne Wahrnehmung der Erde, der Natur? Ohne die Namen der Pflanzen, Käfer, Felsen, Flüsse?
Für mich ist Arbeiten in meinem Gemüsegarten die beste Erholung vom stressigen Alltag, von der Überforderung, der Bodenlosigkeit, der kopfigen Arbeit. Ich komme nach Hause, zu mir, zur Ruhe, wenn ich zwischen den Bohnenbeeten und Kohlpflanzen wühle, ohne die Zeit zu spüren. Vögel, Schmetterlinge, Frösche sitzen auf einmal ganz nah und wir lassen uns in Ruhe, stören uns nicht. Wir gehören zu einer Welt, zu einem Land, einem Kosmos. Das ist eine fast spirituelle Erfahrung und gleichzeitig total unspektakulär, ganz normal, ganz natürlich.
Heute im Museum von Brisbane in der Abteilung Aborigines and Torre Strait Islanders“ habe ich zum ersten Mal etwas von der wahren Schönheit dieses Kontinents erahnt. Ein Schwarz-Weiß- Foto, der Blick einer Frau auf die Wurzeln, die sie ausgegraben hat, ihr gekonnter, Jahrhunderte alter Handgriff, die Verbundenheit mit dem Land in ihrem Blick, in ihrer Haltung, ganz einfach, so wie ich sie auch zu Hause bei Menschen kenne. Diese Verbundenheit macht eine Landschaft, ein Land zu einem Paradies, in dem ein Mensch, der Mensch, aufgeht. „We belong to the land“.
Und ich hier? Natürlich völlig bodenlos. Eine Expedition, eine Bodenlosigkeit, die ich hier mit vielen Menschen teile.Ranjid und seine Kollegen fliegen das ganze Jahr um die Welt, wohnen in Hotels, meist Hochhäuser, die sich sehr ähnlich sind auf der Welt, arbeiten in Sportstadien und Veranstaltungshallen, auch überall sehr ähnlich. No touch – Zonen. Zeitzonen. Jahreszeiten, Hitze und Kälte verschwimmen zu einer Klimaanlagensuppe. Man lebt im Tunnel, wie Ranjid sagt.
Sport-Stadion, Australia, irgendeins…
Ich kann wenigstens versuchen, etwas von dem Land zu schmecken, das ich für ein paar Tage besuche, kann ins Museum gehen, mir ansehen, was die Leute selber von sich und ihrem Land zeigen, aber noch viel mehr in die Parks und auf die Straße gehen, die Bäume und Vögel bestaunen, ihre Namen lernen.
Ohne Namen sind sie nur Grün und bunt. Ich muss die Namen wissen, die Verwandtschaft zu Pflanzen erkennen, die mir vertraut sind und dann sehe ich langsam ein ganz kleines bisschen einen Cosmos.